Katja Knauthe, Johanna Zabka und Fränzi Straßberger haben 2020 ihre Arbeit als hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte in der Lausitz begonnen. Ich habe sie jeweils getroffen und mit ihnen über ihre Visionen für die Region, über ihre Perspektive auf den Strukturwandel und ihre Schwerpunkte im neuen Job gesprochen.
Dies ist Teil 1 unserer Reihe „Gleichstellung in der Lausitz“. Teil 2 und 3 über Johanna Zabka und Fränzi Straßberger finden Sie in unserem Journal.
Katja Knauthe – „Bitte schreibt Kommunale Gleichstellungsbeauftragte.“
Katja Knauthe ist seit Juni Gleichstellungsbeauftragte und Koordinatorin des Bereichs Integration der Stadt Görlitz. Parallel promoviert sie zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf aus einer organisationssoziologischen Perspektive. Außerdem ist sie nach wie vor Dozentin und Mitglied an der Hochschule Zittau/Görlitz, sowie am Institut für Gesundheit, Altern und Technik (GAT) tätig.
Die Wissenschaft des Alter(n)s war Forschungsschwerpunkt in den letzten 10 Jahren ihrer wissenschaftlichen Laufbahn und bleibt auch in der neuen Position präsent: „Ich sag immer, wir haben kein Gleichstellungsproblem, wir haben ein Vereinbarkeitsproblem“. Die meisten Menschen denken beim Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ an die Sorgearbeit, die mit der Erziehung von Kindern einhergeht, für Katja Knauthe gehört aber auch die Pflege von älteren Menschen und Menschen mit Behinderung ganz klar dazu. Natürlich hat das auch eine Geschlechterperspektive: „Frauen sind der größere Anteil unter den Menschen, die Sorgeverantwortung tragen, das hat soziologische und historische Gründe“. Menschen, die Sorgearbeit tragen, könnten nicht adäquat am Erwerbsleben teilnehmen. Das will sie mit ihrer Arbeit ändern: „Die Verbindung läuft derzeit nur mit irgendwelchen Teilzeitkonstrukten oder sehr klassischen Familienverhältnissen und ich sehe dort die Kommune sehr wohl in der Verantwortung, Daseinsvorsorge zu leisten und ansässige Unternehmen und Organisationen so zu sensibilisieren, dass langsam dieser Nachteil der Sorgearbeit abgebaut wird.“
Um darauf hinzuwirken, sieht sie ihren Arbeitsschwerpunkt nicht in der Arbeit mit Vereinen, denn: „Für mich ist das kommunale Sozialarbeit – und ich bin Soziologin“. Diese wissenschaftliche und strukturelle Perspektive ist ihr wichtig, das möchte sie auch angemessen kommunizieren. Dass bisher „Gleichstellungsbeauftragte für Mann und Frau“ die Bezeichnung ihrer Stelle war, griff ihr viel zu kurz, weshalb nun „Kommunale Gleichstellungsbeauftragte“ auf Visitenkarte und Homepage zu lesen ist. Politischer Auftrag und konzeptionelle Arbeit sind ihr Fokus. Dafür nimmt sie auch gern in Kauf, weniger sichtbar zu sein im Stadtgeschehen. „Ich möchte einen kommunalen Gleichstellungsbericht schreiben. Es braucht eine Soll-Ist-Analyse, um Handlungsempfehlungen zu finden. Dafür muss man sich aber erstmal zurückziehen“.
Als sie sich auf die Stelle beworben hat, war der Job selbst nicht ihr größtes Interesse. Eigentlich habe sie sich mit dem Oberbürgermeister darüber unterhalten wollen, dass ihre Definition von Gleichstellungsarbeit anders sei als das, was bisher umgesetzt und in der Stellenausschreibung beschrieben wurde. Dass sie dann für die Stelle ausgewählt wurde, war auch ein kleiner Schock, weil das eben auch bedeutete, ihre unbefristete wissenschaftliche Tätigkeit an der Hochschule zu beenden. Deshalb ist sie sehr froh darüber, weiterhin mit der HSZG zusammenzuarbeiten. Beispielsweise möchte sie die bisherigen Integrationsmaßnahmen der Kommune und des Landkreises gemeinsam mit Masterstudent*innen des Studiengangs Management Sozialen Wandels evaluieren.
Weil ein neuer Anfang immer Anlass für Visionen und große Ziele ist, wollte ich wissen, was Katja Knauthes Vision für Görlitz und die Lausitz ist. Darauf findet sie eine klare Antwort: „Was ich möchte, ist eine sorgende Gemeinschaft („caring community“) etablieren“. Das heißt, dass Familien als nach wie vor Haupt-Sorgetragende entlastet werden sollen – dafür muss die passende Infrastruktur geschaffen werden, die nicht nur genügend (Tages-) Pflege- und Kita-Plätze umfasst, sondern auch die Koordination von bürgerschaftlichem Engagement und ein Bemühen der Kommune, wachzurütteln und zu sensibilisieren, um das Ideal einer generationensensiblen Gesellschaft zu stärken. „Eine solidarische Gemeinschaft ist das große Ziel, ansonsten verfestigen sich konservative Strukturen und die machen nachweislich krank“. Im besten Fall wird Wahlfreiheit geschaffen, sodass Pflege- und Sorgearbeit aus freien Stücken geleistet werden kann, weil die Kommune vorgesorgt hat. Noch einmal weist sie auf die Geschlechterungleichheit hin: kürzlich habe sie einen Artikel gelesen demzufolge die gender gaps erst in 99 Jahren geschlossen würden, wenn es so weitergehe wie bisher. Ihr Ziel ist es, in Görlitz eher so weit zu sein. Diese Entwicklung weg von konservativen Strukturen und hin zu gemeinschaftlicher Verantwortung ist auch, was sie mit Strukturwandel verbindet. Eine Caring Lausitz möchte sie sich vorstellen, in der die gerontologische Perspektive auch im ländlichen Raum konsequent mitgedacht wird, denn aktuell ist die Reichweite der ambulanten Pflegedienste beschränkt, ÖPNV unregelmäßig und Lebensmittelläden in vielen Dörfern nicht mehr vorhanden. Sie wünscht sich innovative Lebensmodelle, vielleicht mehrgenerationale Zusammenschlüsse von jungen Raumpionier*innen und unterstützungsbedürftigen Alteingesessenen.
Was aber auch zu ihrer Vision gehört ist, dass die Kommune als familienfreundliche und pflegesensible Arbeitgeberin Vorbild ist, denn „Arbeitgeber sollen sich endlich für Gleichstellung verantwortlich fühlen!“. Dafür müssen Muster durchbrochen und Personalpolitik geändert werden „wir haben nach wie vor Strukturen, die es Frauen scheinbar verunmöglichen, in Führungspositionen zu kommen. Und das zu ändern, da will ich hin“. Als sie in den letzten Jahren noch Gleichstellungsbeauftragte der sozialwissenschaftlichen Fakultät war, konnte sie auch in Personalpolitik eingreifen. Leider ist das nun nicht mehr Teil ihrer Stelle, da die Kommune dafür eine Frauenbeauftragte hat, mit der Katja Knauthe auch im Strategiegespräch über diese Themen ist. Zukünftig könne sie sich gut vorstellen beides in Personalunion zu übernehmen.